Martha – Into This
Das witzigste am Treten ist: Es ist eines der ersten und letzten Dinge, die wir als Mensch tun. Im Mutterleib tritt ein Fötus um seine immanente Ankunft anzukündigen. Auf einer Bahre liegt ein sterbender Mensch bis er den Löffel abgibt (eng: “kick the bucket“). Unser ganzes Leben müssen wir immer wieder Tritte und Schläge einstecken. Doch heutzutage – mit dem weltweiten Aufstieg von Faschisten, Demagogen, Abusern und Heuchlern – fühlt es sich so an, als würden die meisten Tritte erst dann kommen, wenn wir schon am Boden liegen.
Schon ab dem ersten ersten Akkord auf Love Keeps Kicking kündigt das gefeierte britische Punkrock-Kollektiv Martha an, das es Zeit ist endlich zurückzutreten. Auf elf neuen Songs zeigen die Töchter und Söhne der Kleinstadt Pity Me in England, dass unsere Welt zwar in einer Abwärtsspirale gefangen ist, es sich aber immer lohnt, für sie zu kämpfen.
In vielerlei Hinsicht ist Love Keeps Kicking ein Trennungs-Album, bei dem jedes Lied an verschiedenen Stellen des Prozesses einer Trennung wohnt. ”This year blew my world apart“, singt Gitarrist und Sänger Daniel Ellis auf dem Album-Opener Heart is Healing. Mit üppigen Vokalharmonien (und einem der besten Riffs in Marthas Diskografie) erforscht Heart is Healing die unbequeme Zeit zwischen dem Ende einer Beziehung und dem Augenblick, an dem es Zeit ist, weiterzuziehen.
Die Eröffnungsakkorde von Orange Juice spiegeln das Herz des Erzählers wider, der plötzlich mit ängstlicher Klarheit erkennt, dass seine langjährige Beziehung in die Brüche geht. ”I didn’t know it then, but you were falling out of love with me / It’s a new development in the plan / a painful change in circumstance,” singt Nathan Stephens-Griffin und drückt die unmittelbare Bedeutung in jedem einzelnen Wort aus. Orange Juice ist Martha in ihrem herzzerreißendsten Moment. Es ist der zarte, bittersüße Mittelweg zwischen The Replacements und The Pastels, während Stephens-Griffin gesteht: “I don’t know what to do now.”
Während viele Songs offen über romantische Trennungen sprechen, könnten die meisten genauso auch von dem Schmerz der sich dramatisch nach rechts rückenden Welt handeln. Wie Pitchfork in ihrer fantastischen Rezension des 2016er Albums Blisters in the Pit of My Heart feststellte, erforschen Martha immer wieder die ”Schnittpunkte von Realität und Emotionalität“. Für eine Band, deren Einstellung und Mitglieder alle politisch sind, ob sie es wollen oder nicht, ist das tägliche Leben im Jahr 2018 häufig ein Tritt ins Gesicht gewesen.
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