Andreas – Ein Obdachloser aus Würzburg
Schätzungen zufolge leben im Jahr 2016 noch immer 380.000 Menschen mit so gut wie Nichts auf der Straße. Schätzung deswegen, weil es auch im Jahr 2016 noch immer keine offizielle Statistik über die Anzahl der Wohnungslosen gibt. Wie traurig das ist, lässt sich kaum in Worte fassen, viel trauriger aber ist, dass es auch einfach keine wirkungsvollen “Gegenmaßnahmen” gegen diese Zahl gibt.
Ich find dieses “Draufstippen” auf Einzelschicksale allerdings immer sehr schwierig – angesichts der unglaublich hohen Zahl wirkt es immer ein wenig unfair, wenn eine/r in den Mittelpunkt gerückt wird. Bei mir schleicht sich dann schnell der kleine Mann in den Kopf, der sagt: “Aber was ist mit den anderen?”. Wenn ich eine Lösung dafür hätte, würde der Beitrag ganz anders aussehen. So bleibt zwar weiter der Gedanke, dass das hier nur ein Tropfen auf dem heißen Stein ist, aber es ist noch immer besser als nichts und vielleicht auch sowas wie ein Anfang.
Wie schnell die Wohnungslosigkeit kommen kann, sieht man auch bei Andreas: Selbstständigkeit, Zahkungskonkurs, horrende Schulden und vielleicht noch zwei mal falsch abgebogen – dann wars das. Eine teufliche Spirale, aus der man ohne Hilfe auch nicht mehr heraus kommt. Adrian Wangerin kennt Andreas nun schon seit mehr als 2 Jahren und möchte genau diese Hilfe bieten. Dazu hat er auf betterplace.org ein Projekt gestartet, dass Andreas dabei helfen soll, eine Wohnung zu finden, die ersten drei Mieten (und die Kaution) zu bezahlen und ihm so einen Neuanfang zu ermöglichen.
Allein für seine Gedanken (und dabei muss man sich immer vor Augen halten: Andreas hat noch weniger als die ganzen Spackos, die gegen Geflüchtete hetzen) zum Thema Flüchtlingskrise verdient er genau diesen Neuanfang:
Im Sommer 2014 sprach mich ein Obdachloser unweit von meiner Haustür in Würzburg an, ob ich ihm nicht die aktuellen Sportergebnisse aus dem Internet abrufen könnte. Da ich noch kein Smartphone besaß, recherchierte ich die Ergebnisse zu Hause und setzte mich dann mit ihm, Andreas auf die Straße. Wir plauderten. Andreas ist studierter Tiefbauingenieur, der sich selbstständig machte, bankrott ging und nun schon seit 16 Jahren auf der Straße lebt.
Andreas hat zwei Töchter, die er leider nicht mehr oft sieht und ist ein ungemein offener und freundlicher Mensch. Auch sein Hang zu Tiefgründigkeit und Philosophie sorgten dafür, dass ich während unserer Gespräche oft die Zeit vergaß und wir stundenlang auf der Bank neben dem Stift Haug saßen. Andreas reist oft durch die Landkreise Süddeutschlands, da Obdachlose im Landkreis Würzburg nur 7 Tage in einer Einrichtung unterkommen und ihr tägliches Hartz 4 bekommen. Seine positive Art und sein grandioser Humor gefielen mir und so wurde aus dieser Begegnung eine Freundschaft, die nun schon seit 2 Jahren anhält.
Da ich von Andreas Bescheidenheit, seiner Zuversicht und seinem unermüdlichen Durchhaltevermögen so beeindruckt war, entschied ich mich einen kurzen Film über ihn zu machen und Möglichkeiten zu finden ihm zu helfen. Wie die meisten Obdachlosen hat auch Andreas ein Alkoholproblem, welches ich während meiner Zeit mit ihm aber nie als störend oder sonderlich schwerwiegend empfand.
Aktuell ist Andreas in Langzeittherapie in Norddeutschland und hofft bald vom Alkohol loszukommen und – wie er selber sagt – einen Neustart in der gutbürgerlichen Mitte anzugehen. Die Spenden würden es ihm ermöglichen nach Abschluss seiner Therapie von vorne anzufangen und wieder Teil der Gesellschaft zu werden, was er sich so sehr wünscht und woran er auch noch glaubt.
Wenn ihr also die eine oder andere Mark übrig habt, dann helft Andreas. Ich hab es auch getan. Deutlich sinnvoller, als das Geld wieder in Pokemon Go zu stecken.
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