Was von der WM hängen bleibt – Gedankentüdelüt (103)
Und da ist sie auch schon wieder vorbei, die Fußball-WM für das Jahr 2018. Dabei denk ich im Vorfeld immer: whoa, 4 Wochen Fußball und das teilweise jeden Tag – eigentlich ganz geil. Aber wie das mit der Zeit so ist, sie verfliegt auch, wenn der Ball rollt. Und ich muss auch ehrlich sagen: noch nie hat mich eine WM so wenig interessiert, wie dieses Jahr.
Deutschlands Vorstellung
Das liegt natürlich und vor allem am frühen Ausscheiden der deutschen Nationalmannschaft. Und auch wenn es vermutlich im Nachhinein ohnehin jeder sagt: aber das war mehr als abzusehen. Die Spiele gegen Aserbaidschan und Österreich waren mitnichten Weckrufe – das waren Bestätigungen für das, was sich im Vorfeld schon abzeichnete. Ich kann natürlich nicht beurteilen, ob und inwieweit die Mannschaft in sich zerrissen ist, aber zumindest kann ich sagen, dass das gesamte Auftreten mehr als Überheblich war. Sieht man immer besonders dann, wenn sich die Spieler auf dem Platz die Bälle nur hin und her schieben, aber keiner seine Position wirklich verändert. Einsteins Definition von Wahnsinn: immer das Gleiche zu tun und auf ein anderes Ergebnis zu hoffen.
Insofern kam das Ausscheiden nicht überraschend, wenn auch die Art und Weise doch schlimmer war, als ich das vermutet hätte. Aber gut, so ging es auch schon anderen Mannschaften – nichts, wovon die Welt wirklich unter geht.
Özil, Gündogan und der ganze andere Mist
Was da schon deutlich mehr genervt hat, war die ganze Nummer um das Foto mit Erdogan. Ich versteh bis heute nicht, warum das Thema nach wie vor hochkocht und insgesamt wirkt das auf mich sehr nach Alibi für sämtlichen anderen Mist, der nicht so gelaufen ist, wie er sollte. Dazu muss man sich nur die diversen Statements von Bierhoff anschauen, nach denen er beinahe schon in schöner Regelmäßigkeit zurückruderte, weil er mal wieder falsch verstanden wurde. Nee, du bist einfach ein Depp und solltest dein Maul halten. Ganz einfach.
Fußball sollte nie politisch sein (ich weiß, das ist unmöglich, gerade bei einer WM in Russland) – nicht umsonst gibt es diverse Statuten in den FIFA-Regularien. Und wenn er es doch tut, sieht man am DFB und den Aussagen in den letzten Wochen, wohin das führen kann. Der Vergleich mit der Kuh auf dem Glatteis drückt sich hier mehr als auf – wird der Kuh aber nicht gerecht.
Und sonst so?
Auch wenn die Oberen davon sprechen, dass das wohl die beste WM aller Zeiten war (was sollen sie auch anderes sagen?), für mich war an dieser WM nicht viel Besonderes. Frankreich als Weltmeister geht schon in Ordnung, auch wenn ich es den Belgiern doch ein bisschen mehr gegönnt hätte. Das Finalspiel ist da schon das beste Argument für, auch wenn ich kein großer Fan davon bin, auf den Gewinner draufzuhauen, nur weil die Spielweise nicht attraktiv genug war. Soll doch jeder so spielen wie er mag.
Neymar hat sich endgültig als Arschloch geoutet und steht für mich mittlerweile in einer Reihe mit Özil: angebliche Genies, die aber mal so gar nichts von ihrem Können zeigen, wenn ich zuschaue. Wobei Neymar mit seinem Schauspiel sogar noch eine Schippe an Arschlochigkeit drauf gelegt hat.
Großartig hingegen fand ich Englands Nationaltrainer Gareth Southgate. Nicht nur, dass seine Mannschaft sich sehr passabel geschlagen hat – wer dauerhaft dermaßen gut gekleidet an der Seitenlinie steht und das Klischee des englischen Gentleman in dieser Form bestätigt, kann einfach nur ein geiler Typ sein.
Zudem scheint der Ballbesitzfußball seine größte Zeit hinter sich zu haben. Das ist eigentlich nicht schlecht, denn nichts nervt mehr als eine Mannschaft, die den Ball nicht mehr herausrückt. Auf der anderen Seite kann es aber auch nicht die richtige Richtung sein, wenn niemand mehr den Ball haben will und alle sich nur noch hinten reinstellen. Das war 2014 deutlich besser, gefühlt haben aber auch alle Mannschaft in Brasilien deutlich attraktiver gespielt.
Insgesamt also eine ziemlich okaye WM. Keine riesigen Highlights, aber auch keine übergroßen Skandale. Das war gute Fußballkost für den Sommer mit einem Weltmeister, den man weder lieben noch hassen muss. Im Grunde ein bisschen wie die deutschen Nationalspieler: es mangelt an Ecken und Kanten, alles ein bisschen zu glatt und „zu perfekt“ – wird schwer, sich in ein paar Jahren noch daran zu erinnern.
Größte Überraschung zudem: Christoph Kramer als Fußballexperte (der Junge ist 27) sowie die beiden Ollis als gefühlte Nachfolger von Netzer und Delling. Das hat durchaus Spaß gemacht, zuzuschauen und zuzuhören.
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