Gedanken-Tüdelüt (54): Wir machen uns das Internet selbst kaputt

Wisst ihr noch, damals, als man auf Instagram Fotos gesehen hat, die noch so wirkten, als würden sie mitten aus dem Leben stammen? Als man auf Youtube noch richtig gute/witzige/unterhaltsame Videos fand? Als noch niemand auf die Idee kam, Tweets von Menschen auf irgendwelche Bilder zu pappen und sie als eigene, kreative Leistung auszugeben? War das nicht schön?

Natürlich sind das alles keine neuen Umstände, bin ich nicht der Erste, dem das gehörig auf den Sack geht und sicher auch nicht der Letzte, der dazu Dampf ablässt. Aber gerade in letzter Zeit geht es mir richtig auf den Sack.
Ich mag Instagram eigentlich sehr. Fix ein Foto geschossen, hochgeladen – fertig. So war es früher mal, an guten Tagen hat man auch noch einen der dusseligen Filter draufgehauen. Und heute? Geht es nur noch darum, wer am schönsten ist, den neuesten Scheiß hat und an dem idyllischsten Ort verweilt. Nahezu jedes Foto wird härter bearbeitet, als es Chuck Norris je mit seinen Gegnern getan hat und der Ausdruck „Mehr Schein als Sein“ ist die Untertreibung des Jahrtausends. Dazu noch Abermillionen Hashtags, schließlich sollen die Likes nur so knallen.

Mich nervt dieser aufgezwungene Druck. Sieht dann Bild nicht nach Profi aus, bist du raus. Was vielleicht noch funktioniert: semi-lustige Sprüche, die man sich irgendwo abgeschaut hat. Alles andere verdient keine Existenzberechtigung.

Na klar, muss man nicht mitmachen und sowieso entscheidet die Zielgruppe, was gut ist und was nicht. Soll man eben einen feuchten Furz auf Likes geben – aber sind wir doch mal ehrlich: wir fühlen uns alle toll, wenn andere liken, sharen und sonst wie ihre Anerkennung ausdrücken.
Youtube
Ich war nie der exzessive Youtube-Nutzer, weder als Konsument, noch als Produzent. Aber das, was ich mitbekomme, ermutigt mich nicht, irgendwas daran zu ändern. Ein Blick in die Trending Videos sieht schlimmer aus als eine vollgekleisterte Wand mit den Titelseiten der BILD-Zeitung eines Jahres. Und wenn man dann doch mal mit dem Mauszeiger abrutscht und eines dieser Videos startet, passiert das, womit niemand gerechnet hätte – man findet sich sogar unter dem Durchschnittsniveau von RTL und Co. wieder.

Klar, auch hier gibt es Ausnahmen und wer ein bisschen recherchiert, findet sicher auch die Perlen, die die Ausnahme von der Regel sind. Und doch ist auch bei Youtube immer mehr angesagt: „Stumpf ist Trumpf“. Was früher mal die Alternative zum grottigen Fernsehprogramm war, gleicht sich dem immer mehr an.
Twitter/Facebook
Mit den Twitterperlen fing es an: lustige Tweets auf Bilder packen und im Netz verteilen. Am besten mit der eigenen „CI“-Farbe, das eigene Logo schön groß oben drüber und wenn es denn mal wirklich sein muss, irgendwo in die Ecke möglichst klein eine Quellenangabe.

Wenn man gutmütig ist, kann man das bei den Twitterperlen noch okay finden – eigentlich auch nur ein Filter, der aus dem ganzen Wust an Tweets die wirklichen Perlen (ach daher der Name) hervorholt. Und immerhin waren sie vielleicht sogar die Ersten, sodass man die Idee wenigstens noch anerkennen kann.
Aber jeder Vollidiot, der dieses Vorgehen nun nachahmt – der ist nun mal ein Vollidiot. Nicht nur, dass es an eigener Kreativität mangelt, auch die Art und Weise wird 1 zu 1 kopiert. Das ist nicht mal mehr stumpf, das ist einfach nur doof.

Könnte man mir auch einigermaßen anlasten, schließlich gibt es ab und an ebenfalls Twitter-Beiträge, die von mir als Bild gepostet werden – das hat allerdings eher „Artikelbild-und-Beitragsplanungs-technische“ Gründe. Dafür immerhin immer mit Link zum Ursprungsbeitrag und keine Verfremdung der Darstellung. Ich weiß, macht es nur unwesentlich besser, aber irgendwas ist ja immer.
Fazit
Ein richtiges Fazit kann ich gar nicht ziehen und will ich auch gar nicht. Denn ich bin selbst Teil des Problems und du bist es auch. Solange die Klickzahlen und Likes bei diesem ganzen gefaketen und stumpfsinnig-doofen Beiträgen nach oben schießen, brauchen wir uns nicht wundern, dass die Qualität immer mehr sinkt.

Vielleicht nervt mich das aber auch nur, weil ich dadurch gehemmt bin, es einfach selber besser zu machen. So absurd es klingt: ich muss nicht immer im Mittelpunkt stehen, allein in eine Kamera sprechen kommt mir in meinem Kopf sehr bescheuert vor – früher hat man Leute mit so einem Verhalten zum Arzt geschickt.
Und ich will auch nicht tausende von Fotos schießen und drei Stunden an der Bearbeitung feilen, nur um dann einen Post raushauen zu können und allen da draußen zu zeigen, wie geil doch mein Leben ist. Ist es nicht, muss es aber auch nicht sein.
Vielleicht ist das aber auch der normale Lauf der Dinge – Fernsehen war schließlich auch mal vor vielen, vielen Jahren besser.
❤️
Auch wenn du wie du sagst nicht der erste bist und es schon eine Weile so läuft: I feel you, bro! :(
*virtual fist bump*
❤️